Sicherheitspolitik

Veröffentlicht am 03.07.2015 in Aktuelles

Veranstaltung des Arbeitskreises Christen und SPD mit Rainer Arnold, MdB, am 26.6. in Stuttgart

Arbeitskreis Christinnen/ Christen in der SPD Sprecherkreis Baden-Württemberg

Umstellung von Rüstungsbetrieben auf andere Produkte – realistisch oder Wunschdenken?

Angela Madaus, Sprecherin des AK, freute sich, dass Rainer Arnold, Bundestagsabge- ordneter im Wahlkreis Nürtingen und verteidigungspolitischer Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, angeboten hatte, über unser Diskussionspapier „Beteiligung an bewaffneten Konflikten durch deutsche Rüstungsgüter – wenn Politik auf Wirklichkeit stößt“, mit uns das Gespräch zu suchen. Der Einladung zum Gesprächsabend in der Friedensgemeinde Stuttgart am 24. Juni 2015 folgten etwa 25 Personen.

Zu Beginn zeigte Stephan Fischer, Sprecher des AK Heidelberg/Rhein Neckar, eine Präsentation, in der die Aussagen des Diskussionspapiers zusammengefasst sind: Das SPD- Programm enthält gute Ziele bezüglich Friedenspolitik und Rüstungskontrolle, aber die selbst gesteckten Ziele sind noch lange nicht erreicht. Jedem Christen stellt sich die Frage: Wie können wir mit der Thematik des Rüstungsexports bzw. den Aus- wirkungen von Waffenexporten umgehen?

Rainer Arnold legte in seinem Gesprächsbeitrag Wert auf die Feststellung, dass Deutschland bereit sein muss, Verantwortung zu übernehmen – durch Dialog, Diploma- tie, Krisenprävention, aber auch durch faire wirtschaftliche Bedingungen. Das Milleni- umsziel, 0,7% des BIP für Entwicklungshilfe auszugeben, sei noch nicht erreicht.

Was nun den Militärbereich betrifft, so vertritt Arnold das Postulat der militärischen Zu- rückhaltung Deutschlands, was sowohl ein einseitiges Vorpreschen, aber auch einen deutschen Sonderweg ausschließt. Deutschland nutzt seine „Chance zur Mäßigung“, es ist aber auch bereit, Verantwortung zu übernehmen und hat durchaus einen Gestal- tungsanspruch, denn Deutschland sei zu groß, um sich zu verstecken – andererseits aber zu klein, um alleine etwas bewirken zu können. Er fühlt sich in einer Zwickmühle: „Als Parlamentarier muss man wählen, was am wenigsten schlecht ist. Die Probleme in der Welt verschwinden nicht, wenn wir nichts tun.“ Zwar hält er die im Diskussionspa- pier genannte Position „Friede durch Gerechtigkeit“ für richtig, aber gegen „menschen- verachtendes Denken mit totalitärem Anspruch“ z.B. des IS helfen keine mäßigenden Worte, sondern gut ausgestattete und einsatzfähige Streitkräfte, die im Bündnis agieren und parlamentarischer Kontrolle unterliegen.

Wer rüstet nun unsere Streitkräfte wie aus, wenn wir Rüstungsbetriebe auf andere Pro- dukte umstellen wollen? Hier gibt es nach Arnold nur zwei Alternativen: Entweder kauft Deutschland amerikanische Rüstungsgüter „als black box“, d.h. ohne Möglichkeit auf ihre Produktion einzuwirken – eine technische Weiterentwicklung amerikanischer Pro- dukte sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich – oder es stellt im Bereich der Kernfä- higkeit die hoch technologischen Produkte selber her. Dazu bedarf es eines Ingeni- eurswissens „auf auskömmlichen Niveau“. Für die SPD Sei Rüstungsproduktion nicht als Element der Wirtschaftspolitik wichtig, sondern zum Schutz der nationalen Souverä- nität. Allerdings ist hier durchaus ein Strukturwandel vonnöten, der durch Rüstungsex- porte nicht gelöst werden kann.

Arnold forderte auf, genau hinzuschauen, an wen wir welche Rüstungsgüter exportie- ren: Es gebe Länder, die sich – was Menschenrechte betrifft – in einer Grauzone bewe- gen, an die zu liefern aber auch verantwortbar sein kann. Lediglich bei KleinwaffenArbeitskreis Christinnen/ Christen in der SPD Sprecherkreis Baden-Württemberg

müsse Deutschland besonders restriktiv sein. Panzer an Saudi Arabien z.B. halte er nicht für eine wirkliche Gefahr. Exporte in Krisengebiete seien verboten, „aber manch- mal rechtfertigen sie besondere wirtschaftlichen Interessen“. So sei es legitim, den Saudis Grenzsicherungssysteme und den afrikanischen Staaten Küstenboote zum Kampf gegen Piraterie zu liefern.

Der Fachmann stellte klar, dass das Außenamt für Rüstungskontrolle zuständig sei. Das Wirtschaftsministerium habe die Federführung für Rüstungsexporte, die Entschei- dungshoheit aber habe der Sicherheitsrat des Bundestages. Der Rüstungsexportbericht sei früher nicht geheim gewesen, aber er erschien immer mit zweijähriger Verspätung. Die Regierung sei jetzt in der Pflicht, weil über Rüstungsgeschäfte unmittelbar nach der Entscheidung berichtet und die sicherheitspolitischen Überlegungen sofort genannt wer- den müssten. Er zitiert Sigmar Gabriel: „Rüstungsexporte sind kein Instrument der Wirt- schaftspolitik.“ Deutschland habe keine volkswirtschaftlichen Interessen, sondern es gebe nur einzelne betriebswirtschaftliche Interessen.

Zum Thema Drohnen berichtete Arnold, dass Deutschland bereits über von Israel gele- aste Aufklärungsdrohnen verfüge, die in Afghanistan im Einsatz seien. Er befürchtet, dass es nach dem Eurofighter keinen bemannten Flieger mehr geben werde, sondern nur noch bewaffnete Drohnen, deren Zweck in der Beobachtung von Krisengebieten liege. Deshalb wolle kein Land der Welt Drohnen ächten, auch wenn deren Einsatz vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Afghanistan schwierig sei. Arnold hält den Einsatz dieser Waffen außerhalb von Kriegsgebieten für völkerrechtswidrig, aber die Gefahr des Einsatzes sieht er für Deutschland nicht: „Drohnen sind kein Mittel für herkömmliche Kriege, weil sie zu einfach vom Himmel geholt werden können.“ Er unterstützt daher, dass Deutschland zusammen mit Frankreich eine Drohne mittlerer Größe eigenständig entwickeln wird – aus wirtschaftlichen Gründen und für den technologischen Fortschritt. Die wirkliche Gefahr sieht der Bundestagsabgeordnete in automatischen Kampfsyste- men, bei denen nicht mehr der Mensch entscheidet, wann der Einsatz erfolgt, sondern ein „Algorithmus“, eine Software. Er möchte alles tun, dass automatische Kampfsyste- me völkerrechtlich geächtet werden. „Die ethische Dimension muss reflektiert werden.“

In der anschließenden Diskussion wurde gefordert, Exporte in solche Länder auszu- schließen, die Menschenrechte verachten. Dem stellt Arnold entgegen, dass auch deut- sche Unternehmen im Ausland entwickeln und produzieren, wo sie nicht an Beschlüsse des Bundestags gebunden seien. Deswegen hält er gemeinsame europäische Export- richtlinien für wichtig. „Allein am deutschen Wesen wird die Welt nicht genesen“.

Andere sahen durch die erneute Aufrüstung die Gefahr einer Eigendynamik des Wett- rüstens. Es mangele an kollektiver Sicherheit, die nur durch vertrauensbildende Maß- nahmen und gemeinsame Interessen gestärkt werden könnte. Arnold sieht ein Problem im Ungleichgewicht der Verteidigungsfähigkeit, die er am Beispiel des IS belegt, der nur dank Soldaten der ehemaligen irakischen Armee, die in Syrien ihren Feind sehen, Er- folg haben konnte. Weil dagegen die Kurden schlecht ausgebildet waren, habe Deutschland (wie auch in Mali oder Somalia) deren Ausbildung unterstützt, damit sie selbst besser mit ihren Problemen umgehen können. Die Kurden hält er für verlässlich, besser organisiert und strukturiert, er könne aber natürlich nicht die Hand ins Feuer le- gen, dass die gelieferten Waffen nicht eines Tages auch falsch verwendet werden. Al- ternatives Zuschauen scheidet für ihn aber aus – insbesondere auch deswegen, weil nach den Erfahrungen in Afghanistan kein Staat mit eigenem Militär einschreiten möchte.

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Er wies auch darauf hin, dass derzeit 43 Staaten der Uno versuchen, den IS zurückzu- drängen. Darunter seien auch Länder, die selbst Menschenrechte verletzen. Wenn diese wiederum Dank für ihre Hilfe wollen, sei man wieder schnell in einer „Grauzone“. Arnold würde aber auch eine Beteiligung Deutschlands an UNO-Einsätzen unterstützen.

Einen Grund in der Aufrüstung im Nahen Osten sieht er darin, dass international ge- genüber dem Iran Abschreckung gewünscht sei. Kern des NATO-Bündnisses sei schließlich, immer so stark zu sein, dass jeder weiß, dass er keine Chance hat – damit die NATO diese Stärke nie konkret zeigen muss. Dem wurde widersprochen, denn die Öffentlichkeit trage diese Argumente nicht mit; es könne durch Höherrüstung keinen Frieden geben, weil jeder der Stärkste sein möchte; z.B. würden die Waffenlieferungen Amerikas an die Ukraine wieder die russische Aufrüstung antreiben. Hierzu meint Ar- nold, dass Verteidigungspolitik als langfristige Vorsorge verstanden werden müsse. Er hält aber die Aufrüstung der Ukraine für falsch, weil diese zu falschen Entscheidungen verleitet würde. Der Preis für Putin würde zwar erhöht, aber die Ukraine müsste immer nachziehen und wäre dennoch chancenlos.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD ist für Abschreckung auf möglichst nied- rigem Niveau. Dies sei durch die Demonstrationen in den 80er Jahren gegen die Rüs- tungsspirale erreicht worden, nach denen erst Rüstungskontrollverhandlungen begon- nen hätten. Aber er weist darauf hin, dass alle europäischen Länder ihre Verteidigungs- ausgaben drastisch gesenkt haben, Russland dagegen seinen Rüstungsetat verdoppelt habe. Deswegen müsse man den baltischen Staaten signalisieren, dass wir uns auch für sie einsetzen, denn sonst würden sie sich ganz auf Amerika konzentrieren. Er- schwerend komme hinzu, und das bestätigten auch einige Anwesende, dass die Men- schen in den baltischen Staaten und auch bei uns sich über russisches Fernsehen in- formieren und so tendenziell fehlinformiert würden. Es müsse daher eigene baltisch- russische oder auch andere europäische russischsprachige Sender geben.

Der Bemerkung, dass die deutsche Souveränität nicht groß sei und stets Amerika ent- scheide, widerspricht Arnold: Die US-Administration Obamas unterstütze die deutschen Bestrebungen zu immer wiederkehrenden diplomatischen Gesprächen. Und er stellt fest, dass sich die Amerikaner mehr im asiatischen Raum engagieren möchten und deshalb von Europa fordern, sich mehr in seinen eigenen Gefilden einzusetzen. Und hier stellt er die Ineffektivität des Mitteleinsatzes fest: Der Rüstungsetat in Europa liege bei ca. 200 Mrd. Euro, aber großteils würden Gelder parallel von mehreren Ländern für gleichartige Programme verwendet. Dagegen geben Russland und die USA deutlich mehr aus – und effizienter.

Zuletzt kam die Diskussion noch einmal auf die wirtschaftlichen Unterschiede der Län- der, weil viele Konflikte wirtschaftspolitische Ursachen hätten. Dem widerspricht Arnold nicht, weist aber auf die Verantwortung der Regierenden für die Sicherheitspolitik. An- gela Madaus verwies zum Abschluss auf die neue Enzyklika des Papstes, in der dieser die Ungerechtigkeiten in der Welt angreife und zum Schluss kommt, dass wir, zum Wohle aller auf der Welt, von unserem Reichtum an die Ärmeren abgeben müssen.

Stephan Fischer und Angela Madaus

 

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