Unterbezirks- und Kreisvorständekonferenz in Berlin am 30.5.2010

Veröffentlicht am 02.06.2010 in Ortsverein

Ergebnisse der Ortsvereinsbefragung - aktuelle Situation nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen

Referat von Sigmar Gabriel am 30.05.2010 in Berlin, Willi-Brandt-Haus, Unterbezirks-und Kreisvorstände-Tagung
1. Ehrenamtliche:
• Sie sind in circa 10.000 OV und 300 UB die eigentlichen Träger der Partei. Seit über 100 Jahren ist die einzige Qualifikation für ihre Arbeit ihr Engagement!
• Dies sollte stärker ins Bewusstsein der SPD kommen, weil durch sie
Alltagswissen in die Partei und die innerparteiliche Willensbildung hinein transportiert wird („Eine Partei, die immer weniger Ehrenamtliche hat, wird immer dümmer.“),
• die (aus ökonomischen Gründen erfolgte) Zentralisierung der Partei die Arbeit der Ehrenamtlichen erschwert.
• Was Not tut, ist jetzt: „Wir müssen zu einem intensiveren Meinungsaustausch kommen“, „die strittige Auseinandersetzung“ ist ein notwendiges Element der innerparteilichen Meinungsbildung. Jährlich sollen Parteitage zur Positionsbestimmung abgehalten werden. „Nicht in der Abschaffung der „Flügel“ liegt das Heil, sondern in der offenen Diskussion.!
2. Auswertung der OV-Befragung:
• Das Ergebnis scheint zunächst eindeutig zu sein: Die SPD hat in der großen Koalition mit den Arbeitsmarktreformen ihren „Markenkern beschädigt“, ihre Wählerschaft nachhaltig verunsichert und dadurch in die Wahlenthaltung getrieben, während es Merkel gelang, ihr Profil zu verwischen. Es kam zu einer dramatischen Ausweitung des Niedriglohnsektors („Wir haben mitgemacht bei der Entwertung von Arbeit.“)und zu einer Entfremdung der Gewerkschaften. Letzteres wiegt schwer, denn: „Gegen Gewerkschaften gewinnt eine SPD keine Wahlen.“- Und: „Wir sind mit die Geburtshelfer der Linken.“
Konsequenzen: a) Wie stellen wir den Wert von Arbeit wieder her? („Seit Einführung des Euro hat die jeweilige Bu-Regierung 896 Mrd. € mehr eingenommen als ausgegeben; die Produktivität der Wirtschaft ist stärker gestiegen als die Löhne. Damit hat sich der Wettbewerb zwischen D und den anderen europäischen Ländern verschärft, was viele unter ihnen genau zu dem Verhalten getrieben hat, das wir jetzt bei ihnen kritisieren, nämlich zu Finanzierungen auf Pump.“ b) Wie gewinnen wir wieder das Vertrauen der Enttäuschten? (Letzteres wird ein sehr langer Prozess sein.)
• „Wir müssen unsere Europapolitik auf den neuesten Stand bringen“ (nicht von der Situation Getriebene sollten wir sein, sondern z.B. zusammen mit F wieder Motor Europas) und unsere wirtschaftspolitischen Grundsätze nicht auf eine reine Sparpolitik reduzieren. Wir müssen der „Retroregierung“ , in deren Koalitionsvertrag bezeichnenderweise das Wort ´Gemeinwohl´ nicht auftaucht, den Ordnungsbegriff entziehen und für eine neue soziale Ordnung in Europa kämpfen. Um unser Ziel realisieren zu können, müssen wir uns auch wieder stärker um die Grünen kümmern, die mittlerweile eine bürgerlich-liberale Partei geworden. Wenn wir mit eine großen Koalition liebäugeln, dann schielen die auch nach der CDU!
3. Wirtschaftspolitische Grundsätze:
Für „nachhaltiges Sparen“, das Investitionen nicht gefährdet. Einsparpotential 10 Mrd.€. Beispiele: Die Rücknahme der „Mövenpick-Steuer“ würde 5,6 Mrd. € bringen, die Abschaffung der Absetzbarkeit von Spritkosten für Geländewagen 2 Mrd. €, weitere Abschaffung von unsinnigen Steuersubventionen für ökologisch Falsches sind möglich. Die Sanierung der Endlager für Atommüll müsste den Atombetreibern auferlegt werden, entsprechende Rücklagen dafür sind zu besteuern.
Zielgerichtete Maßnahmen für private und kommunale Investitionen: entsprechende Finanzmittel sind zur Verfügung zu stellen, denn: Klein- und Mittelbetriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und 60 % aller Investitionen kommen aus den Kommunen! Die dafür nötigen etwa 10 Mrd. € könnten kommen aus: einem höheren Spitzensteuersatz, einer angehobenen Vermögenssteuer und der Finanztransaktionssteuer, die man zur Not alleine im Euroraum erheben müsste.
• A propos Vermögenssteuer: sie ist nicht, wie vielfach behauptet, eine „Neidsteuer“. Reiche sollten „aus sozialem Patriotismus“ mehr an den Staat zurückgeben als Ärmere, denn er hat die Basis auch ihres Rahmens bezahlt (Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge etc.). Wie Umfragen zeigen, sind die Deutschen bereit, für Bildung mehr zu bezahlen, allerdings muss der Staat ihnen beweisen, dass das Geld auch dort ankommt!
4. Die Wahl in NRW:
• „Koalitionen macht man nicht, weil es rechnerisch reicht, sondern auf Grund inhaltlicher Übereinstimmungen.“ Eine Koalitionsaussage muss somit inhaltlich begründet werden. In NRW haben ehemalige DKP-isten die DDR legitimiert und damit nur „ihre eigene Biographie gerechtfertigt“. Sie haben sich als möglicher Koalitionspartner somit diskreditiert. Außerdem gilt für die SPD: „Die Linkspartei ist nicht unser Orientierungsrahmen!“
5. Einige andere Probleme im Zusammenhang mit der OV-Befragung:
• Bei der NRW-Wahl gab es ca. 3500 Verluststimmen für die SPD, d.h., wir haben seit der BT-Wahl im September bei denen, die uns verlassen haben, noch nicht viel gutgemacht. Die katastrophale Politik der derzeitigen „Nicht-Regierungs-Koalition“ schlägt sich nicht automatisch in einem Plus für die SPD nieder.
• 1976 hatten wir ca. 1 Million Mitglieder, derzeit etwa die Hälfte. Wir verzeichnen im Augenblick zwar mehr Ein- als Austritte, haben aber einen hohen Verlust durch Tod von Mitgliedern, bei einem Altersdurchschnitt von 60 J. nicht verwunderlich; die Mehrzahl unserer Mitglieder steht somit nicht mehr in den berufsaktiven Jahren. Nur 10 % der Mitglieder sind unter 34 Jahren alt. Seit 1990 haben wir so etwa 10 Millionen Mitglieder verloren.
• Fazit: Unser „Kampagnenfähigkeit“ leidet; Alltagswissen geht uns verloren.
• Etwa jedes 10. Neumitglied geht uns nach 2-5 Jahren durch Austritt wieder verloren., vielleicht desillusioniert, weil sie ausgebremst, statt in ihrem Engagement ermutigt werden .
• Fazit: Haben wir ein Problem der fehlenden Wertschätzung, sind wir zu sehr ´closed shop´? ( aus ökonomischen Gründen erfolgte) Wir müssen inhaltlich und organisatorisch wieder interessanter werden!
6. Termine + Projekte:
• Heute, 2.6. online-Konferenz (wer beteiligt sich?)
• 7.6. „Stadtspaziergang“ mit Manuela Schwesig
21.6. Hilde Mattheis in Walddorfhäslach: Thema: „Kopfpauschale kontra Bürgerversicherung“ (20 h im Sportheim in Gniebel)
• Zukunftswerkstätten „faires Deutschland“, als fortlaufender Prozess bis 2011
• 6 geplante Bürgerkonferenzen in Berlin (wer hat Interesse, wer macht mit?)
• Parteireformprozess soll bis Herbst 2011 abgeschlossen sein.
• zur Unterstützung regionaler Parteiarbeit gibt es jetzt im Willi-Brandt-Haus ein neues Referat; Serviceangebote von dort werden nicht genügend nachgefragt („Bringschuld“ W-B-H., „Holschuld“ Ortsvereine!)
• Änderung von spd.de im web: soll ein stärker dialogorientiertes „Eingangstor“ werden (vgl. web.soz.).

Angela Madaus

 

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